„Gentleman über Bord“ von Herbert Clyde Lewis

Eine nachdenkliche und tiefgründige, aber dennoch auch eine humorvolle Lektüre!

„Literaturwerkstatt- kreativ / Blog“ stellt vor:

„Gentleman über Bord“ von Herbert Clyde Lewis

Der wohlsituierter 35-jährige New Yorker Börsenmakler Henry Preston Standish stürzt urplötzlich in eine mentale Krise und nimmt sich vom grauen Alltag eine Auszeit, indem er kurzerhand eine Schiffsreise antritt.

„Kaum auf See, stellt sich die erhoffte Erleichterung tatsächlich ein, doch dann … macht er einen einzigen falschen Schritt und landet mitten im Pazifik, während sein Schiff sich immer weiter von ihm entfernt. Was denkt ein Mensch in solch einer Situation? Woraus schöpft er Hoffnung? Und wie blickt er nun auf sein Leben, dessen er vor Kurzem noch so überdrüssig war?“

Fazit:

„Gentleman über Bord“ von Herbert Clyde Lewis erschien bereits 1937 in Amerika und wurde jetzt erst vom „Mare Verlag“ wiederentdeckt und neu aufgelegt. Ich bin durch den Schweizer „Literaturclub“ auf diesen gerade mal 170 Seiten kurzen Gesellschaftsroman gestoßen. Von allen hoch umjubelt an diesem Abend, war ich ganz gespannt und natürlich voller Erwartung, wie mir dieser Roman wohl gefallen wird.

Vorab, das Buch hat auch mir ausgesprochen gut gefallen, auch wenn das Werk beinahe hundert Jahre ist, so hätte diese Geschichte durchaus auch heute spielen können. Herbert Clyde Lewis hat eine Tragikomödie inszeniert, wie ich sie vorher so noch nicht gelesen habe. Die Passagiere an Bord des Schiffes spiegeln die Bandbreite der amerikanischen Gesellschaft wieder und der Autor zeigt literarisch gekonnt auf was passiert, wenn einer von ihnen – in dem Fall eben unser Protagonist Henry Preston Standish – sicheren Boden verliert. Dabei ist es durchaus faszinierend, Standish unglaubliche Gedankengängen, die er während der 17 Stunden im Wasser hat, mitzuverfolgen. Ein Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Tragik und Komödie. Parallel verfolgen wir die Reisegesellschaft auf dem Schiff, die aus den unterschiedlichsten Gründen an diesem Morgen das Fehlen von Standish nicht bemerkt und so wertvolle Zeit zur Rettung verstreicht.

Herbert Clyde Lewis Schreibstil ist flüssig und lebendig, geradezu auserlesen – der Zeit und dem Ort angemessen – in dem diese Handlung und Handelnden spielen. Durch die detaillierten Beschreibungen war mir Henry Preston Standish allgegenwärtig, sei es, als er auf dem Ölfleck ausrutschte und ins Meer fiel, oder später schwimmend seinen existentiellen Fragen nachging. Für mich ein Roman, der einen förmlich dazu auffordert selber mal innezuhalten; nachzudenken über das eigene Leben mit all seinen besonderen Momenten. Auch hier zurückgeworfen auf sich selbst zu sein, natürlich jedoch immer noch in einer Komfortzone, denn wir befinden uns ja schließlich nicht mitten im Pazifik.

Hervorzuheben ist auf jeden Fall die überzeugende Übersetzung aus dem amerikanischen von Klaus Bonn, aber auch die sehr schöne Leinen-Hardcover-Ausgabe im Schuber, ein wahrer Eyecatcher für das bibliophile Auge. Auch ein tolles Geschenk für Buchliebhaber.

Eine nachdenkliche und tiefgründige, aber dennoch auch eine humorvolle Lektüre! 




Autor:

Besten Dank an den „Mare Verlag“ für das Rezensionsexemplar.

Herbert Clyde Lewis (1909–1950) wurde als zweiter Sohn russisch-jüdischer Einwanderer im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren. Er führte ein rastloses Leben als Sportreporter in Newark, Berichterstatter in Shanghai und Drehbuchautor in Hollywood. Er schrieb für den Mirror und das Time Magazine in New York und verfasste vier Romane. Sein Debüt Gentleman über Bord (1937) ist das erste seiner Bücher, das auf Deutsch vorliegt.

Übersetzer:

Klaus Bonn, geboren 1958, freier Autor, Übersetzer und Lehrbeauftragter, studierte Literaturwissenschaft, Anglistik und Philosophie in Mainz. Er übersetzte u. a. H. D. Thoreau, Harriet Taylor Mill und Chloe Aridjis sowie Gedichte, etwa von Edna St. Vincent Millay, Louise Bogan und Lola Ridge.

Details:

Mare Verlag (01.06.2023) (https://www.mare.de/buecher/gentleman-uber-bord-8696) / 176 Seiten / 28,00 Euro / Leineneinband im Schuber, fadengeheftet und mit Lesebändchen / ISBN:978-3-86648-696-6 / aus dem Amerikanischen von Klaus Bonn / mit einem Nachwort von Jochen Schimmang

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